Menschen mit einer demenziellen Erkrankung und deren An- und Zugehörige sind Teil unserer Gesellschaft.
Sie wollen so lange wie möglich ihr normales Leben weiterführen und in allen Bereichen der Gesellschaft teilhaben.

Wo aber stehen wir genau in Sachen Teilhabe? Wie offen ist unsere Gesellschaft, sind die Menschen in Berlin?

Anlässlich des 30. Welt-Alzheimertages und der damit verbundenen Woche der Demenz haben wir der Politik auf den Zahn gefühlt, mit Menschen in Berlin den Dialog gesucht und das Thema von Expertinnen und Experten aus ganz verschiedenen Perspektiven beleuchten lassen. 

Mit großzügiger Unterstützung der AOK Nordost veranstalteten wir in der Wilhelmstraße 1, 10963 Berlin, im Scharounsaal die diesjährige Fachtagung.

Die Berliner Koalition aus CDU und SPD hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, dass Berlin eine "demenzfreundliche Kommune" wird. Wir wollten wissen: Was genau ist dafür geplant und wie weit gehen die Bemühungen der Politik? Entsprechen sie dem, was die Lebenswirklichkeit der betroffenen Menschen tatsächlich erfordert? Diese und andere Fragen haben wir den pflegepolitischen Sprechern der Regierungsfraktionen im Abgeordnetenhaus gestellt, bei unserem Fachtag am 20. September 2024. Rund 40 Menschen sind unserer Einladung gefolgt und wollten mit den Politikern ins Gespräch kommen. 
Die Herausforderungen für Betroffene und Angehörige standen an dem Tag im Fokus. Sie berichteten aus ihrem Alltag, ihren Erfahrungen und sehr bewegend stellten sie dar, mit welchen Herausforderungen sie es zu tun haben. 

Christian Zander, Sprecher für Gesundheit und Pflege der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, erklärte, welche Ideen, Pläne und Ansätze seine Partei hat, um das Leben mit Demenz in Berlin leichter zu machen. Herr Zander verwies zunächst auf die zahlreichen bestehenden Angebote in der Stadt, insbesondere die Pflegestützpunkte und betonte, dass die Alzheimer Gesellschaft gefördert wird. Herr Zander sprach von bevorstehenden harten Zeiten und der Notwendigkeit des Einsparens in allen Bereichen. Insofern sähe er derzeit keine Möglichkeit für die Einrichtung eines „Kompetenzzentrums Berlin. Berlin als demenzfreundliche Stadt sei dennoch im Entstehen, "denn, auch wenn es nicht explizit so genannt oder Hauptziel ist, gibt es u.a. mit den Präventiven Hausbesuchen oder den Aktivitäten von Pflege 4.0 einen Ausbau von Maßnahmen, die auch Menschen, die an Demenz erkrankt sind, und deren Zu- und Angehörigen zugute kommen".
In der anschließenden Diskussionsrunde äußerten betroffene Menschen und Angehörige Kritik an zu viel Bürokratie, an Verfahren bzw. Vorleistungen für Privatversicherte und an zu wenig Angeboten. Herr Zander hat versprochen, diese Aussagen, Wünsche und Anregungen aus der Diskussion mitzunehmen.

Lars Düsterhöft, SPD, Sprecher für Pflege und Menschen mit Behinderungen, leider verhindert, formulierte schriftlich die Ideen für eine demenzfreundliche Stadt seiner Partei: „Berlin soll eine Stadt werden, in der Menschen mit Demenz gut leben können.“ Dazu seien viele spezielle Angebote in Sachen Beratung, Unterstützung und Betreuung notwendig, die den Alltag von Menschen mit Demenz und den ihrer Angehörigen erleichterten. Da sei schon einiges vorhanden. Auch brauche es eine Anpassung der städtischen Infrastruktur, von Wohnraum über öffentliche Verkehrsmittel bis hin zu Parkanlagen müsse die Umgebung demenzfreundlicher gestaltet werden. „Für besonders wichtig halte ich allerdings eine größere gesellschaftliche Wahrnehmung des Themas. Und Menschen im Dienstleistungsbereich oder in der Verwaltung brauchen Schulungen, um auf Menschen mit einer Demenz adäquat reagieren und eingehen zu können“, sagte Düsterhöft. Seine Partei plane die Einrichtung eines Kompetenzzentrums Demenz. Angaben zur Machbarkeit gab es allerdings keine. Zudem habe man eine verbesserte interkulturelle Öffnung in der Altenhilfe und Pflege im Blick und die Absicht, bestehende Angebote im Bereich Demenz kontinuierlich weiterzuentwickeln. 

Im zweiten Teil des Tages hörten die Anwesenden Vorträge aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft:

Frau Engelhard, Präventionsbeauftrage der Polizei Berlin, sprach über polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit an Demenz erkrankten Personen.

Dr. med. Rainer Koch, Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie und Palliativmedizin der Alexianer St. Hedwig Kliniken erklärte demenzsensible Prozess- und Milieugestaltung im Krankenhaus. Den Vortrag finden Sie hier.

Tim Tschauder, Inklusionsmanager beim Landessportbund Berlin e.V., und Leroy Henze, Sport für Alle, berichteten von Möglichkeiten der Inklusion im und durch Sport sowie spezielle Angebote im Sport für Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Die Folien und die Kontaktdaten finden Sie hier.

Alena Surina vom Jüdischen Museum Berlin erzählte sehr anschaulich über Führungen für Menschen mit Demenz und ihre Begleitung unter dem Titel BILDER MACHEN LEUTE.

Und schließlich ging es um Musik, Tanz und Begegnung, in einem Vortrag von Katrin Albroscheit vom Geistlichen Zentrum für Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen.

Unter dem Motto "Demenz - gemeinsam. mutig. leben" fand am 22. September 2024 der diesjährige Ökumenische Segnungsgottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche statt.
In guter Tradition wurde der Gottesdienst wieder von der Alzheimer Gesellschaft Berlin e.V. und dem Geistlichen Zentrum für Menschen mit Demenz und deren Angehörige veranstaltet.
Da der Gottesdienst bereits zum 19. Mal stattfand, war die Arbeit im eingespielten Vorbereitungsteam routiniert, und ein besonderes und feierliches Programm waren schnell erarbeitet und organisiert. Durch die tatkräftige Mithilfe zahlreicher Unterstützer:innen folgten etwa 150 Menschen der Einladung zu diesem Gottesdienst. Sie lauschten den aufmunternden Worten, der schönen Musik, dem Chor der Diakonie und beteiligten sich rege an der Aktion „Glöckchen läuten für Segenssprüche“. Anschließend sorgten Kaffee und Kuchen für eine entspannte Atmosphäre und einen regen Austausch unter den Besucher:innen.
"Ein gelungener Gottesdienst, der Freude gemacht hat und Vorfreude auf eine Wiederholung im nächsten Jahr. Danke an alle, die vorher, während und nachher dieses schöne Erlebnis aktiv mitgestaltet haben."
Sabine Bahn, Beate Wollersheim vom Vorstand der Berliner Alzheimer Gesellschaft e.V.

 


Archiv

Neues Vormundschafts- und Betreuungsrecht: Mehr Selbstbestimmung und bessere Qualität in der rechtlichen Betreuung“ (BMJ) – auch für Menschen mit Demenz?

Anlässlich des Welt-Alzheimertages am 21. September 2023 haben wir zu Information und Austausch zum neuen Vormundschafts- und Betreuungsrecht eingeladen, das seit dem 1. Januar 2023 in Kraft ist. Die zentrale Frage lautete, ob mehr Selbstbestimmung und bessere Qualität in der rechtlichen Betreuung auch für Menschen mit Demenz* gilt.

Im schönen Ambiente des Berliner Scharounsaals der AOK Nordost begann der Tag mit einem lebendigen und spannenden Vortrag des Rechtsanwalts Klaus Bobisch. Der Geschäftsführer des Bundesverbands freier Berufsbetreuer (BVfB ) e.V. erläuterte die Reformen und die aktuelle Rechtslage.

Eine demenzielle Erkrankung allein reiche demnach nicht aus, um eine Betreuung zu begründen, erklärte der selbst als Berufsbetreuer tätige Anwalt. Nur bei ernsten Hinweisen auf Schwierigkeiten, die eine Gefahr für Leben und Vermögen darstellen, greife das Recht auf Betreuung. Hierbei habe die Vorsorgevollmacht einen hohen Stellenwert. Ziel der Maßnahmen sei es, Betreuungen so lange wie möglich zu vermeiden und erst nach der Ausschöpfung „erweiterter Hilfen“ eine Betreuung einzusetzen. Dahinter stecke das Anliegen, die Selbstbestimmung zu stärken und die Qualität der Betreuung zu verbessern.
Die Zuhörenden erfuhren, dass der Großteil der Menschen mit einer demenziellen Erkrankung (60 Prozent) nicht von beruflichen, sondern von ehrenamtlichen Betreuer:innen, meist den An- und Zugehörigen, begleitet wird. Tandembetreuungen, also eine gemeinsame Betreuung der Betroffenen von ehrenamtlichen und Berufsbetreuern, seien vom Gesetzgeber aus finanziellen Gründen nicht gewollt.
Für einige war neu, dass man bereits seit 1992 bei Erwachsenen nicht mehr von „Vormund“, sondern von „rechtlicher Betreuung" spricht.

Den Vortrag finden Sie hier.

Einen erhellenden Einblick in die Arbeit von Betreuungsvereinen gaben anschließend Marie Schäffler und Frau Gunkel vom Betreuungsverein Reinickendorf in Trägerschaft der Volkssolidarität Berlin e.V.. Sie bemängelten die geringe Planungssicherheit und das auch hier fehlende Personal.
Gleichzeitig luden sie alle An- und Zugehörigen ein, sich mit ihren Fragen an die Betreuungsvereine zu wenden.